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Projekt C304 | Was bisher geschah | Teil 1

Projekt C304

Was bisher geschah | Teil 1

Ende Mai 2016 fiel die Entscheidung für das Projekt Expeditionsfahrzeug und bereits Ende Juni stand fest, dass der Protagonist dieses Projekt ein Volvo C304 wird! Nach einigen Wochen Recherche im europäischen Umland hatten wir dann unseren Kandidaten endlich gefunden. Fündig wurden wir in Estlands Hauptstadt Tallinn. Am 30.07.2016 schickte uns der Verkäufer die ersten aktuellen Bilder vom Volvo.

Kommen wir als erstes zu den Fahrzeugdaten!

MODELL

Volvo C304 TGB 13

BAUJAHR

1974

MOTOR

Volvo 3,0l Benziner B30A 6-Zylinder Reihe 115PS mit zwei Stromberg Vergasern

GETRIEBE

ZF 4-Gang Getriebe + Verteilergetriebe mit Untersetzung

ABMESSUNGEN

Länge: 5,35m Breite: 1,90m Höhe: 2,27m

Wie das meist so ist, wenn man ein Auto im Ausland kauft, kann man seine Einschätzungen lediglich auf die Fahrzeugdaten und den Eindruck der Bilder stützen. Wir konnten einige technische Mängel bereits anhand der Bilder ausfindig machen. Die vorderen Blattfedern müssten erneuert werden, denn das Fahrzeug hängt bereits viel zu tief in den Federn. Außerdem müssten sämtliche Dichtungen und Simmerringe erneuert werden. Auf den Bildern war eigentlich so gut wie an jedem mit Öl geschmierten Bauteil Flüssigkeit zu erkennen. Außerdem wurde das Fahrzeug offensichtlich nachlackiert, denn vom Militär werden die Fahrzeuge im unteren Bereich mit gelber Farbe entmilitarisiert. Auch die fachmännisch überlackierten Dichtungen und Türschlössern weise ein eine neue Lackierung hin . . . Ansonsten hatte dieser C304 im Vergleich zu anderen Angeboten verhältnismäßig wenig Beulen und scheinbar auch kaum Rost. Nach einigen Verhandlungen ohne das Fahrzeug live gesehen zu haben, konnte ich mich mit dem Verkäufer auf einen Preis von 9.980,00€ inkl. zwei neuer Achsmanschetten, einer Feder für die Vorderachse, einem Kanister Öl und einem Wagenheber inkl. Radkreuz einigen.

Wir entschieden uns also am 12. August 2016 von Bremen aus "One-Way" nach Tallinn zu fliegen und das Fahrzeug zu kaufen und nach Deutschland zu überführen. Auf Grund des unberechenbaren Zustands und mangelndem Werkzeug entschieden wir uns dafür, das Fahrzeug nicht komplett auf eigener Achse nach Deutschland zu bringen, sondern von Tallinn nach Helsinki und dann von Helsinki nach Travemünde zu verschiffen. Ein weiteres Risiko, denn die Fähren mussten natürlich im Voraus gebucht werden. Für alle, die so etwas ähnliches auch vorhaben, die Überführung des Fahrzeuges nach Deutschland hat inklusive Flug, Fähren, Sprit und Essen etwa 1.000,00€ gekostet.

Der 12. August kam und es ging für uns nach Tallinn. Voller Vorfreude saßen wir nun im Flieger. Mit rosaroter Brille und voller Stolz nahmen wir unseren Volvo auf einem kleinen Supermarkt-Parkplatz in der Nähe des Flughafens entgegen. Kurz danach verbrachten wir eine kurze Nacht auf dem Boden eines Büros einer Anwaltskanzlei. Die Freundin des Verkäufers war so freundlich uns dort eine Luftmatratze anzubieten. Der nächsten Morgen, hin zur ersten Fähre, zweite Fähre, wieder eine viel zu kurze Nacht - diesmal auf einem Teppich vor dem Fahrstuhl auf der Fähre, da wir nicht einsahen für einen unverschämt teuren Preis eine Kabine anzumieten.

In Deutschland angekommen, folgte eine unterhaltsame Kontrolle durch die Zollbeamten am Hafen in Travemünde – man wurde wohl auf Grund des Militärfahrzeuges mit estnischen Kennzeichen auf uns aufmerksam.

 

"Do you transport any weapons?"

Ich antworte: "Nein, das wird ein Wohnmobil".

 

Während der gesamten Rückfahrt befanden wir uns in einer, sagen wir mal, Grauzone. Ich besitze keinen LKW-Führerschein und der Volvo hatte damals noch ein zulässiges Gesamtgewicht von 4,5 Tonnen. Leergewicht ist natürlich um einiges geringer. Wie dem auch sei – unserer Ziel war es möglichst unauffällig über kleine Landstraßen wieder bis nach Osterholz zu kommen. Lisa hat also dem Handy-Navi den Befehl gegeben Autobahnen zu meiden. Fährt man nur von Travemünde wieder Richtung Bremen ohne die Autobahn zu nutzen führt der Weg einen direkt durch die Hafenstadt Hamburg. Wenn man unauffällig bleiben möchte, ist es daher vermutlich nicht die allerbeste Idee nachts durch eine Großstadt zu fahren – in einem Militärfahrzeug. Zum Glück waren die Streifenwagen alle anderweitig beschäftigt. Schlussendlich sind wir gut Zuhause angekommen.

Nun wollten wir möglichst zügig eine deutsche Zulassung bekommen. Bereits am Samstag, sechs Tage später, hatte ich einen Termin beim ortsansässigen TÜV Nord. Die Prozedur verlief grundsätzlich gut und der Prüfer war vom Fahrzeug fasziniert. Leider konnten in der Datenbank des TÜV Nord keinerlei Informationen zum Volvo gefunden werden. Nach einigen Telefonaten seitens des Prüfers eröffnete er mir dann die Möglichkeit, ein Datenblatt vom TÜV Süd für "nur" 180,00€ einkaufen zu können. Trotz anfänglicher Schockstarre blieb mir ja letztendlich nichts Anderes übrig, also willigte ich ein. Der Mann hatte seine Daten und es konnte losgehen. Eine Komplettabnahme nach §21 war dank der estnischen Papiere (EU) nicht notwendig und so bekam unser Schätzchen eine ganz normale Prüfung. Ergebnis durchgefallen. Folgende Mängel wurden festgestellt:

  • Rückspiegel rechts beschädigt
  • Scheibenwaschanlage Funktion mangelhaft
  • Scheibenwischeranlage ohne Funktion
  • Abblendlicht rechts Einstellung zu niedrig
  • Kennzeichenbeleuchtung Wirkung zu gering
  • Zug-/ Druckstrebe 2. Achse links Gummilagerung beschädigt
  • Reifen 1. Achse links und rechts Alterungsrisse
  • Reifen 2. Achse links und rechts Alterungsrisse
  • Reifen 3. Achse links und rechts Alterungsrisse
  • Fangbänder nicht vorhanden
  • Fahrzeug-Ident-Nr. nicht auffindbar

Jetzt sind wir einmal ganz ehrlich und müssen zwei Dinge feststellen. Zum einen war der Prüfer an diesem Tag wohl etwas kleinkariert und zum anderen sind das doch wirklich erfreulich geringe Mängel für ein 43 Jahre altes Fahrzeug! Nun gut, man hat ja vier Wochen Zeit zum Nachbessern. Für mich sollte es jedoch bereits eine Woche nach dem TÜV Termin für eine längere Zeit nach Skandinavien gehen. Die kleineren Probleme hätte ich sicher innerhalb der Wochenfrist in den Griff bekommen. Unser größtes Problem waren aber die Reifen, denn zu dem Zeitpunkt hatten wir noch keine zufriedenstellende Lösung, um die Originalbereifung zu ersetzen. Nach Rücksprache mit dem TÜV entschieden wir uns also gezwungener Maßen gegen eine deutsche Zulassung vor dem Komplettumbau.

Zurück aus Norwegen sollte es dann eigentlich endlich losgehen mit dem Fahrzeugumbau. Ein Problem hatten wir allerdings noch auf unserer Liste. Es war unglaublich schwierig eine bezahlbare Halle im Umkreis zu finden, in der Schrauber mit offenen Armen empfangen werden. Durch den Tipp eines Bekannten landeten wir schließlich auf einem Bauernhof in Alleinlage mit unglaublich netten Besitzern. Ende Oktober konnten wir in die etwa 70 Quadratmeter große Scheune einziehen.

Während der Hallen-Suche war ich natürlich nicht ganz untätig und habe das Konzept des Antriebsstranges entwickelt. Zu Lisas Freude und für die unbezahlbaren und ungläubigen Blicke der Verwandten und Nachbarn entschied ich mich noch ein weiteres Fahrzeug zu kaufen. Nämlich den Motorspender für das Umbauprojekt, eine Mercedes Benz W210 E-Klasse mit 3,0l TD. Der Mercedes OM 606.962 Reihen-6-Zylinder Turbodiesel mit 3,0l Hubraum und 177PS ist für seine Langlebigkeit bekannt und hat in dem ein oder anderen Taxi ohne Problem die 1.000.000km Marke überschritten. Unser Exemplar mit 189.000km auf dem Kerbholz kam aus Rotenburg und hat beim ersten Besuch einen sehr rostigen Eindruck gemacht. Unter der Haube sah aber alles, soweit ich es damals beurteilen konnte, wie geleckt aus. Beim ersten Besuch wurden wir uns mit dem Verkäufer leider nicht einig, es folgten wochenlange! Verhandlungen, bis wir das Auto dann am 01. Oktober abholen konnten. Wir haben uns ganz bewusst gegen den Kauf eines einzelnen Motors und für den Kauf eines kompletten Fahrzeuges entschieden. Der Zustand des Motors war so deutlich besser zu bestimmen, man hat alle notwendigen Anbauteile dabei und kann den Rest des Fahrzeuges am Ende schlachten und verkaufen. Fahrzeuge der Baureihe W210 sind oft technisch in einem sehr guten Zustand, haben heute aber enorme Probleme mit starkem Rost an der Karosserie. Aus diesem Grund kann man die Fahrzeuge oft recht günstig einkaufen. Ein einzelner Motor im äußerlich beurteilbaren akzeptablen Zustand lag damals bei etwa 1000,00€, nach den ewigen Verhandlungen konnte ich den Verkäufer unserer E-Klasse um 900,00€ auf 1600,00€ runter handeln. Wir haben in diesem Fall so kalkuliert, dass wir nach Ausschlachtung des Fahrzeuges den Motor quasi "umsonst" erworben haben.

Auf geht's in die Scheune! Heute würde ich sie eher mein zweites Zuhause nennen . . .

Nach dem Umzug konnte es dann richtig losgehen und so haben wir als erstes mit der E-Klasse begonnen. Bevor der Motor raus sollte, wollte ich noch die Kompression der einzelnen Zylinder messen, um einen genauen Überblick über den Zustand des Motors zu haben. Die Verschleißgrenze liegt bei einer Kompression von 18 Bar pro Zylinder. Der Neuwert eines OM606.962 liegt zwischen 29 und 35 Bar. Unser Motor erreichte mit einer Toleranz zwischen den Zylindern von 0,5 Bar im Schnitt eine Kompression von 31 Bar - und das bei 189.000km auf dem Tacho! Mein Gefühl beim Motorkauf war also definitiv das richtige!

Wir brauchen den Motor also nicht komplett überholen, lediglich Anbauteile werden überholt und Teile wie Wasserpumpe, Kettensatz, Kettenspanner, Glühkerzen und Einspritzdüsen tausche ich prophylaktisch. Der Motor kann also raus!

Zwischendurch war ich auch immer wieder damit beschäftigt, notwendiges Werkzeug zu besorgen. Der damals größte Einkauf fand wohl während des Naturfotofestivals in Lünen statt. Am Samstag verabschiedeten wir uns für eine Stunde vom Festival und fuhren zu einem Dortmunder Betrieb, der sich auf Werkstattauflösungen spezialisiert hat. Dort haben wir mit dem Skoda Fabia meiner (fast) Schwiegermutter ein 180kg schweres Schweißgerät abgeholt. Als ich den Verkäufer fragte, ob er noch einen zweiten Mann dahätte, um beim Einladen von diesem "Klopps" zu helfen, antwortete er nur ganz entspannt "Ne, da wir beide das wohl alleine nicht schaffen, nehmen wir einfach den Stapler". Wenige Minuten später kam er dann mit einem riesigen Gabelstapler um die Ecke und Lisas Gesichtszüge entglitten aus Angst um das Auto ihrer Mutter völlig. Mit viel ruhrpottschem Feingefühl wurde das Schweißgerät in den Skoda verladen. Nächstes Mal nehmen wir ein größeres Auto!

Nicht nur die E-Klasse bekommt in den Wochen vor Weihnachten unsere volle Aufmerksamkeit, sondern auch am Volvo geht es jetzt voran! Das Fahrzeug soll bis auf die letzte Schraube zerlegt werden.

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